
Autorin:
Dr. Deborah Weissman
Brief aus Jerusalem Nr. 17
Shalom an alle in Jerusalem. Leider war dieser Monat nicht wie der letzte ein Monat mit Höhepunkten und schmerzlichen Ereignissen, sondern ein Monat voller schmerzlicher Ereignisse. Wir sind offiziell wieder im Krieg. Im Gazastreifen werden wieder täglich Menschen getötet, wahrscheinlich auch viele Unschuldige. Hunderttausende Israelis sind auf die Straße gegangen, um gegen die Regierung zu protestieren, die sie für korrupt und unfähig halten.
Ende letzten Monats fand ein sehr trauriges Begräbnis für die in Gefangenschaft getöteten Bibas-Kinder statt. Ob es ein weiteres teuflisches Beispiel für psychologische Folter oder ein bürokratischer Fehler war: der Sarg der Mutter wurde durch einen Sarg mit einer unbekannten Palästinenserin ersetzt. Vor der Beerdigung wurde ein DNA-Test an den Leichen durchgeführt, der ergab, dass die Frau nicht die Mutter der Kinder war. Schließlich wurde die Leiche der Mutter übergeben und identifiziert, und es fand eine der traurigsten Beerdigungen in der Geschichte Israels statt. Weltweit wurde um die beiden kleinen Jungen und ihre Mutter getrauert.
In derselben Woche stimmte die Generalversammlung der Vereinten Nationen über eine Resolution zur Unterstützung des ukrainischen Kampfes gegen die russische Invasion ab. Drei Jahre sind seit der Invasion vergangen, die auf beiden Seiten unzählige Tote gefordert und die Infrastruktur der Ukraine schwer beschädigt hat. Die Abstimmung in der UNO ergab 93 Ja-Stimmen, 19 Nein-Stimmen und 65 Enthaltungen. Israel stimmte zusammen mit den USA, Russland, China, Nordkorea, Weißrussland, Ungarn und anderen gegen die Resolution. Der Journalist und Autor Yossi Klein Halevi bezeichnete das israelische Votum als „beschämend“, während Rabbiner Donniel Hartman vom Hartman Institut sagte, die israelische Regierung lebe „im Schatten von Trump“. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky, ein Jude, wurde daraufhin im Weißen Haus von Präsident Donald Trump und US-Vizepräsident J.D. Vance gedemütigt.
Seitdem hat die Hamas keine weiteren Geiseln freigelassen. Es wird viel darüber gestritten, welche Seite unnachgiebiger ist – Israel oder die Hamas – und wer für das Ende der Waffenruhe verantwortlich ist. Die Ägypter hatten vorgeschlagen, die erste Phase des Abkommens zu verlängern, was jedoch abgelehnt wurde, so dass die zweite Phase nie stattfand. Aufgrund dieser Pattsituation erreichte die humanitäre Hilfe Gaza nicht in dem Maße wie während des Waffenstillstands.
In Israel wurde während des Waffenstillstands das kleine Purimfest fröhlich gefeiert, vor allem in Jerusalem, wo es aufgrund einer Besonderheit des hebräischen Kalenders drei volle Tage dauerte. Der Ramadan war eher düster und angespannt.
Der Oscar für den besten fremdsprachigen Film ging an „No Other Land“, eine israelisch-palästinensisch-europäische Koproduktion, die die Misshandlung palästinensischer Dorfbewohner im südlichen Westjordanland zeigt. Der Film wurde sowohl vom israelischen Kulturministerium als auch von vielen jüdischen Gruppen in der Diaspora weitgehend verboten und hat in den USA noch keinen Verleih gefunden. Ironischerweise boykottieren einige Palästinenser den Film, weil er die israelisch-palästinensische Freundschaft und Zusammenarbeit darstellt.
Am 7. Oktober 2024 veröffentlichte die IDF erste Berichte über ihr Versagen. In der Folge traten der Generalstabschef und mehrere andere hochrangige Offiziere zurück. Die zivile Führung hat bisher keine Verantwortung für ihr Versagen übernommen. Eine Folge des Wiederaufflammens der Feindseligkeiten war die Rückkehr mehrerer rechtsextremer Minister in das israelische Kabinett. Itamar Ben-Gvir ist als Minister für nationale Sicherheit direkt für die israelische Polizei verantwortlich. Er, scheint der Polizei einen Freibrief für einen harten Umgang mit Demonstrant*innen ausgestellt zu haben. Sowohl in Jerusalem als auch in Tel Aviv wurde von Polizeigewalt gegen gewaltlose Demonstrant*innen berichtet.
Einige der massiven Proteste stehen im Zusammenhang mit Netanyahus Versuch, sowohl Ronen Bar, den Chef des Shin Bet (Israels allgemeiner interner Sicherheitsdienst), als auch Gali Baharav-Miara, unseren Generalstaatsanwalt, zu entlassen. Der Premierminister hat das Gefühl, dass er kein Vertrauen mehr in Bar hat und dass Baharav-Miara ihm feindlich gesinnt ist, weil sie darauf besteht, dass niemand über dem Gesetz steht. Da der Premierminister sowohl die Exekutive als auch die Legislative kontrolliert, versucht er, auch die Justiz zu kontrollieren. In dieser Hinsicht scheint Netanyahu seinem Förderer in den USA, Donald Trump, nachzueifern.
Was den Norden betrifft, so hat es in Syrien gewalttätige Ausschreitungen im Land gegeben. Der neue Präsident, Ahmed al-Sharaa, ist ein ehemaliger Al-Qaida-Kämpfer. Die Hisbollah hat ihre Angriffe auf den Norden Israels fortgesetzt.
Die amerikanischen Streitkräfte griffen die Huthis im Jemen an. Die Huthis schossen daraufhin Raketen auf Israel ab, die glücklicherweise abgefangen wurden oder auf offenem Gelände ohne Schaden einschlugen.
Der israelische Minister für Diaspora-Angelegenheiten, Amichai Chikli, organisiert eine Konferenz zum Thema Antisemitismus. Da sich unter den geladenen Gästen auch Vertreter einiger rechtsextremer Parteien aus Europa, darunter die AfD, befinden, haben einige wichtige jüdische Persönlichkeiten der Diaspora, darunter der Oberrabbiner Großbritanniens, ihre Teilnahme an der Veranstaltung abgesagt. Inzwischen hat der israelische Präsident Yaakov Herzog diese Persönlichkeiten zu einem Treffen mit ihm am Vorabend der Konferenz eingeladen. Chikli und andere Vertreter der Rechten erklärten daraufhin, es sei für Israel an der Zeit, sich im Kampf gegen den Antisemitismus mit neuen Akteuren zusammenzutun. Die Frage, ob Juden mehr von der extremen Rechten oder der extremen Linken – oder vielleicht von beiden – zu befürchten haben, ist sowohl in Israel als auch im Ausland umstritten.
Lassen Sie uns mit einer erfreulichen Nachricht schließen. In den kommenden Wochen feiern Juden auf der ganzen Welt Pessach, Christen Ostern und Muslime das Ende des Ramadan und das Fest Id El-Fitr. Dies sind Momente des Feierns, der Erneuerung und der Hoffnung.
Am 12. März schickte die Hamas in Gaza einen vierjährigen Jungen auf die israelische Seite, um die israelischen Soldaten zu provozieren, ihn zu töten. Die Soldaten schossen nicht, sondern nahmen ihn mit nach Hause. Ich wünschte, diese Geschichte könnte sich noch oft wiederholen…
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