Der Messias kommt nicht

Der Messias kommt nicht. Abschied vom jüdischen Erlöser.

Dieses von Walter Homolka, Juni Hoppe und Daniel Krochmalnik erschienene Buch ist gerade erschienen. Eingangs gibt es eine Einführung von Walter Homolka in das Thema. Hieran schließt sich ein Beitrag der Theologin Juni Hoppe zu den Messiasvorstellungen in der Antike, vor allem in der Hebräischen Bibel, an. Es folgt ein Teil zum Messias im rabbinischen Judentum und der Philosophie des Mittalalters von Daniel Krochmalnik, der Professor für jüdische Religion und Philosophie an der Universität Potsdam ist. Der dritte – von Walter Homolka verfasste – Teil widmet sich jüdischen Vorstellungen vom Messias und Messianismus in der Neuzeit und der Gegenwart, vor allem im liberalen und konservativen Judentum. Im Nachwort von Markus Striet, Professor für Fundamentaltheologie der Universität Freiburg,  gibt es eine Reaktion aus katholischer Perspektive auf die Ausführungen.

Einige inhaltliche Schlaglichter: Maschach – bedeutet auf Hebräisch „salben“, der Maschiach ist der Gesalbte. Es ist eine antike Form Amtseinführung, so wurden z.B. Könige gesalbt. Ein Gesalbter ist eine von Gott gewählte, mit besonderer Kraft und Herrschaft ausgestattete Person.

Der Begriff und die Vorstellungen vom Maschiach entwicklen sich im Lauf der Zeit. Im babylonischen Exil wird die Gestalt Davids zum idealen Herrschen und es entsteht die Verheißung einer „ewigen Herrschaft“.

Im Rahmen der politischen Unterdrückung gewinnt die Gestalt des „Hohenpriesters“ und „Retters“ zunehmend an Bedeutung. Es gibt eine Vielfalt unterschiedlicher Vorstellungen, insbesondere in den Apokryphen und pseudepigraphischen Schriften des 4. Esra und 2. Henochbuches.

Die Deutungen Jesu als Messias sind keine Übertragung der biblischen Vorstellungen auf ihn. Denn er war kein Herrscher, kein Priester, wurde gekreuzigt und seine Wiederkehr wurde mit eschatologischen Erwartungen verbunden. „Es gibt keine also lineare Entwicklung der messianischen Idee von der Hebräischen Bibel zum Christentum. Schon eher kann man von Deutungen und Entwicklungen im Plural spreche.“

Die in der Antike geprägten auf Jesus Christus bezogenen Vorstellungen des Messias, entfalteten eine enorme Wirkmacht in der westlichen Kultur und prägten die Vorstellungen der Mehrheitsgesellschaften in Bezug auf den „Messias“. Die Vielfalt biblischer Vorstellungen vom Messias geriet darüber – in den christlich geprägten Mehrheitsgesellschaften –  in den Hintergrund.

Hinzu kam und kommt, dass die Aussage, ob Jesus der Messias war oder ist oder nicht war oder nicht ist, ein Identity-marker war und ist. In der Geschichte kreisten Gespräche zwischen Christen und Juden in Bezug auf diese Frage, oftmals um ein „Ja“ oder „Nein.“

Überlegungen zum Messias finden sich im Talmud vor allem in Sanhedrin 97-99. Die behandelten Fragen drehen sich um die Zeit des Kommens des Messias und die Bedingungen seines Kommens, seine Kennzeichen, seine Namen, die Wehen der messianischen Zeit und die Dauer der messianischen Zeit selbst. All dies ist im Talmud nicht systematisch „theologisch“, sondern in Form von Gesprächen und Geschichten beschrieben.

Im 19. Jahrhundert sehen wir im liberalen Judentum eine Entpersonalisierung des Messias. „Der Einzelne gewinnt an Bedeutung, die Subjektivierung der messianischen Aufgabe wird fest in der jüdischen Theologie verankert. Aus dem Messias wird die Idee des Messianismus, einer messianischen Zeit, die die Zukunftsorientierung des Judentums betont…“

Eng verbunden ist damit die Vorstellung der jüdischen Mitwirkung und so schreibt David Hartman, der große Religionsphilosoph des 20. Jahrhunderts: „Jüdischer Messianismus ist keine jenseitige Kategorie, kein Heilsangebot für den Einzelnen, sondern eine historische Hoffnung auf eine erneuerte Gemeinschaft“ (220)

Und vor dem Hintergrund der vorgestellten Gedanken erschließt sich dann auch die pointierte Aussage: „There is no Messias and you are it.“ Es gibt keinen Messias und du bist es. Es ist ein Plädoyer dafür, dass alle Juden durch ihr Handeln die messianische Zeit herbeiführen können, wobei es keinen Unterschied zwischen rituellem und ethischem Engagement gibt: „Es ist alles messianische Aktivität.“

Ein spannendes Sachbuch, das ich allen, die sich für dieses Thema interessieren, empfehle.