Israelbezug in der Kirchenverfassung

Um die besondere Beziehung von Christen und Juden zum Ausdruck zu bringen, hat die Landessynode der ev.-luth. Landeskirche Hannovers am 28.11.2013 einstimmig eine Änderung der Verfassung auf den Weg gebracht.

In Artikel 1 Absatz 2 der Kirchenverfassung wird ein Satz angefügt:
„Zeugnis, Mission und Dienst erfolgen in Gemeinschaft mit anderen christlichen Kirchen und im Zeichen der Treue Gottes zum jüdischen Volk.“
Der Artikel 4 wird um einen Absatz ergänzt:
Die Landeskirche ist durch Gottes Wort und Verheißung mit dem jüdischen Volk verbunden. Sie achtet seine bleibende Erwählung zum Volk und Zeugen Gottes. Im Wissen um die Schuld unserer Kirche gegenüber Juden und Judentum sucht die Landeskirche nach Versöhnung. Sie fördert die Begegnung mit Juden und Judentum.“

Identität des Judentums respektieren und schätzen

Im Herbst 2016 ist zur Verfassungsänderung die erläuternde Broschüre „Kon-Texte“ erschienen.
Mit ihrer Verfassungsänderung im Jahr 2013 hat die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers ihr Verhältnis zum Judentum neu bestimmt. Die jetzt auf der Synode der Landeskirche vorgestellte Broschüre Kon-Texte stellt die Änderung in den Dialog mit der theologischen und kirchlichen Tradition, sie führt hin zu einem neuen Nachdenken über die Beziehung zum Judentum und will so eine verfassungsgemäße kirchliche Praxis voranbringen.
Landesbischof Ralf Meister schreibt in seiner Einführung: „Anders als in früheren Zeiten hat die Kirche (haben wir Christinnen und Christen) erkannt, dass es falsch, ja verwerflich – und auch nicht notwendig – ist, die eigene Identität auf Kosten des Judentums zu profilieren. …
Es ist möglich, eine christliche Theologie im Angesicht Israels zu formulieren, die das Eigene profiliert zum Ausdruck bringt und gleichzeitig die Identität Israels respektiert und schätzt.“
Einzelexemplare der Broschüre sind ab sofort kostenfrei bei der Arbeitsstelle Kirche und Judentum im Haus kirchlicher Dienste erhältlich: Telefon: 0511-1241-452, E-Mail: rathe@kirchliche-dienste.de.

Rollup – Ausstellung zur Broschüre:

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die an Ihrem Wirkungsort die Inhalte der Verfassungsänderung der Landeskirche Hannovers von 2013 bekannter machen möchten, gibt die Arbeitsstelle Kirche und Judentum des Hauses kirchlicher Dienste mit einer Roll-up-Ausstellung ein augenfälliges und ansprechendes Hilfsmittel an die Hand. Die Ausstellung vermittelt Inhalte der Kon-Texte-Broschüre und lädt die Betrachterinnen und Betrachter dazu ein, die eigene Beziehung zum Judentum zu reflektieren.
Sie kann über das Arbeitsfeld Kirche und Judentum gebucht werden. Die Leihgebühr beträgt 35 Euro zuzüglich Porto und Versicherung. Wer sich vorab einen Eindruck von dem Material verschaffen will, ordert zunächst die Kon-Texte-Broschüre im HkD-Shop oder nutzt den Download (Link s. oben).
Konzipiert und erarbeitet wurde die Broschüre und Ausstellung von apl. Prof. Dr. Ursula Rudnick, Beauftragte für Kirche und Judentum im HkD in Kooperation mit Pastorin Christiane Galle und Dr. des. Vikar Jens Wening. Rabbiner Dr. Gábor Lengyel begleitete die Entstehung, Hans Joachim Schliep kommentierte. Das Cover und die Ausstellung gestaltete Marc Vogelsang.
Bestellung der Broschüre: https://www.hkd-material.de/kirche-im-dialog/judentum/1211/kon-texte

Kontakt:

Apl. Prof. Dr. Ursula Rudnick, Beauftragte für Kirche und Judentum, Tel.: (05 11) 12 41– 4 34, Mail: studienleitung@begegnung-christen-juden.org


Kirchenverfassung 2020:

Zur Diskussion gerade um den Artikel 4 Abs. 6 in der neuen Kirchenverfassung hat der Vorstand des Vereins folgende Eingabe abgegeben: 

Sehr geehrte Mitglieder der Landessynode,

wir gratulieren Ihnen zum Entwurf der neuen Kirchenverfassung! Wir freuen uns, dass der aktuelle Entwurf zum Verhältnis von Kirche und Judentum eine Ergänzung in Teil 1, Abschnitt 1.4 vorsieht, die die implizit vorhandene Aussage, als Kirche „Juden nicht zu einem Religionswechsel“ zu bewegen zu wollen, jetzt explizit formuliert.

Begegnung – Christen und Juden. Niedersachsen e.V. begrüßt diesen Schritt nachdrücklich. Wir sind ein Zweigverein des von Franz Delitzsch 1871 zum Zweck der Mission unter Juden gegründeten Ev.-luth. Zentralvereins. Im Zentralverein hat es einen langen Diskussionsprozess gegeben, bis unsere Mitglieder sagten: Mission unter Juden ist im Hinblick auf Römer 9-11 nicht unsere Aufgabe. Wir vertrauen Gottes Verheißung, dass Gott „ganz Israel retten werde“ (Röm. 11,26) und hierzu bedarf es unseres missionarischen Wirkens nicht. Diese Einsicht wurde 1990 von der Lutherischen Europäischen Kommission Kirche und Judentum in der Driebergener Erklärung formuliert, die EKD Studie Christen und Juden III aus dem Jahr 2000 widmet dieser Frage viele Seiten und kommt zur selben Einsicht.

Als Zentralverein und als BCJ-Zweigverein haben wir vor vielen Jahren organisierten Bemühungen – Jüdinnen und Juden zur Taufe bewegen zu wollen – eine Absage erteilt. Wir sehen positive Auswirkungen. Es ist uns gelungen, Vertrauen aufzubauen: zu Individuen und zu jüdischen Gemeinden. Eine Folge hiervon ist, dass wir zahlreiche jüdische Mitglieder haben. Wir haben erlebt, dass sich bei den jüdischen Partner*innen das Bild von Kirche verändert hat: Von einer Institution, die durch missionarische Aktivitäten die eigene Existenz bedroht zu einer Partnerin auf Augenhöhe.

Da wir uns intensiv mit dieser Frage beschäftigt haben, möchten wir eine Formulierungsverbesserung vorschlagen: „… und lehnt deshalb Bemühungen ab, Juden zur Taufe zu bewegen.“ Das Wort „Taufe“ ist konkret und beschreibt das Gemeinte treffender.

Darüber hinaus schlagen wir eine Ergänzung für den letzten Absatz vor: „Sie fördert die Begegnung mit Juden und Judentum. Sie tritt jeder Form von Judenfeindschaft entgegen.“

Der im Auftrag der Bundesregierung erstellte zweite Antisemitismus-Bericht vom Frühjahr dieses Jahres zeigt, dass es nach wie vor einen latenten Antisemitismus in der Bevölkerung von ca. 20% gibt.

Judenfeindschaft begleitet die Kirche seit den frühen Tagen ihrer Existenz. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte unserer Kirche. Ein Beispiel ist Martin Luthers Judenfeindschaft, die Auswirkungen in unserer Kirche hatte. Politische und religiöse Judenfeindschaft verbanden sich im 19. und 20. Jahrhundert. Pastor Münchmeyer propagierte in den 20er Jahren auf Borkum Antisemitismus. Der Vizepräsident des LKAs Ferdinand Hahn verfasste 1935 die Schrift: Von den Juden und ihren Lügen. Vor diesem Hintergrund heißt es in der Verfassung: „Im Wissen um die Schuld unserer Kirche sucht die Landeskirche nach Versöhnung. Sie fördert die Begegnung mit Juden und Judentum.“ Die Selbstverpflichtung „Sie tritt jeder Form von Judenfeindschaft entgegen“ ist aus unserer Perspektive eine eindeutige Positionierung und notwendige Ergänzung.

Gern stehen wir für ein Gespräch zu Verfügung.

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