Rabbinisches Wort für den Mai
„Mah Nischtanah“ – „Was ist heute anders?“ – haben wir erst vor kurzem gesungen, die berühmten Vier Fragen des Sederabends. Und alle konnten spüren, dass so vieles anders war, nicht allein das Essen von Matzah und Bitterkräutern, oder die anderen symbolischen Handlungen, um uns an den Auszug in die Freiheit zu erinnern. So viele Menschen fehlten dieses Jahr an den Sedertischen ihrer Familien, weil sie ermordet, verschleppt oder gefallen sind. Bitterkräuter und Salzwasser sind das wohl eindrücklichste Symbol, um die Knechtschaft in Ägypten in Erinnerung zu rufen. Dieses Jahr genügte es, die Nachrichten zu verfolgen, um sich במצרים, in der Bedrängnis, zu fühlen. Aber die Dramaturgie des Sederabends ist eine des Aufbruchs. Wir halten inne, schauen zurück, vergessen nicht, aber wir bleiben nicht dort stehen. Das Leitmotiv des kommenden Monats Mai/Ijar ist Hoffnung – Hoffnung auf die Rückkehr der Geiseln, auf Frieden, auf Zukunft und Freiheit von Terror für alle Völker der Nahostregion. Und auch Hoffnung auf ein Einhegen des altneuen Antisemitismus, wie er in Deutschland, in Europa und den USA sichtbar wurde auf Straßen, in Medien, an Universitäten und in der Kulturszene. Im Mai begehen wir die jüdischen und die israelischen Nationalfeiertage von Jom HaSchoah, Jom HaSikkaron (Gefallenengedenktag) und Jom HaAtzma’ut, den Unabhängigkeitstag Israels. In diesem Jahr begehen wir 76 Jahre Bestehen des Staates Israel. Oft haben wir leichthin gesagt, dass er eine Rückversicherung für Jüdinnen und Juden überall auf der Welt ist. Wie brüchig diese Erwartung sein kann und auch wie wichtig die Existenz dieses jüdischen Staates ist, erleben wir in diesen Tagen. Aber der Name der israelischen Nationalhymne ist „HaTikwah“ – die Hoffnung. Und so sagen auch wir aller Bedrängnis zum Trotz: „Od lo avdah tikwatenu“ – „Wir halten an der Hoffnung fest“.