Autorin:
Deborah Weissmann
Ich bin damit gesegnet, seit 1972 in Jerusalem zu leben.
Obwohl ich schon viel gereist bin und viele großartige und schöne Orte auf der Welt gesehen habe, ist dies definitiv meine Lieblingsstadt. Und während dieses furchtbaren Kriegs ist sie nicht nur der sicherste Ort in Israel, sondern, wie ein Freund von mir sagte, vielleicht der sicherste Ort der Welt für einen Juden heute.
Seit vielen Jahre engagiere ich mich im interreligiösen und interkulturellen Dialog. Ich habe palästinensische Christen und Muslime in meinem Haus beherbergt. Mehr noch, wir haben Menschen aus der ganzen Welt, wie auch Einheimische, in unserer Synagoge zu Gast. Häufig empfangen wir auch deutsche Gruppen – Studenten, Lehrer, Geistliche und Laien -, die zu uns kommen, um an einem Gottesdienst teilzunehmen und manchmal sogar zu einem Schabbatessen in Familien.
Das hörte in der Zeit der Pandemie auf, es begann sich gerade wieder zu entwickeln, als der gegenwärtige Krieg ausbrach. Wir alle sind noch immer von den brutalen Gräueltaten des 7. Oktober erschüttert. Die entsetzlichen, brutalen Angriffe erinnerten an die schlimmsten und schmerzhaftesten Perioden der jüdischen Geschichte.
Ich möchte noch etwas hinzufügen, das mich persönlich sehr beunruhigt, nämlich das Wiederaufleben des Antisemitismus im Westen, auch und vielleicht besonders an den Universitäten Nordamerikas. Früher hatte ich großes Vertrauen in die höhere Bildung im Allgemeinen und in die Eliteuniversitäten im Besonderen. Heute sehe ich, dass dieser Glaube unangebracht war. Die Menschen im Ausland verwechseln die Hamas mit dem mit dem palästinensischen Volk und die israelische Regierung, insbesondere Netanjahu, mit dem Staat und der Bevölkerung Israels. Dies sind schwerwiegende Fehler. Vielleicht liegt es aber auch gar nicht so sehr daran, dass mein Glaube fehl am Platze war, sondern dass das halbe Jahrhundert, das mich von meiner Studentenzeit trennt, tiefgreifende Veränderungen in den Einstellungen und im Wissen um die Inhalte mit sich gebracht hat.
Ich hoffe, dass Israel nach dem Ende des Krieges in der Lage sein wird, eine Phase des Umdenkens und des Wiederaufbaus zu beginnen. Die letzten elf Monate hier haben uns gezeigt, dass obwohl wir eine katastrophale Regierung haben, die Menschen in Israel die Lage mit Bravour gemeistert haben. Dieselben Menschen, die neun Monate lang jede Woche massenhaft gegen die Regierung protestiert haben, haben sich freiwillig gemeldet, um das Land zu verteidigen und den Flüchtlingen aus dem Süden und dem Norden zu helfen. Ich muss hinzufügen, dass ich persönlich sehr besorgt bin um das Wohlergehen unserer Soldaten und der unschuldigen Menschen in Gaza.
Ich bin gegen die israelische Besatzung im Westjordanland. Ich habe mich seit 1967 gegen sie engagiert. Die Situation im Gazastreifen war komplizierter, denn nach 2005 zogen wir unsere Siedler ab, hielten aber die Blockade aufrecht.
Aber ich mache eher die Hamas als Israel für die beklagenswerte Situation in Gaza verantwortlich. Wenn irgendetwas oder irgendjemand „völkermörderisch“ war, dann war es die Hamas, wie man beim Lesen ihrer Positionspapiere feststellen kann. Sie wollen den Staat Israel zerstören und alle Juden töten. Ich sehe nichts Positives an der Hamas. Sie ist nicht nur fanatisch, fundamentalistisch und völkermordend – sie ist auch frauenfeindlich und homophob. Ihr Verhalten am 7. Oktober war nihilistisch. Die „humanitäre Hilfe“ für die leidende Bevölkerung von Gaza wird für ihre eigenen aggressiven Zwecke an die Hamas weitergeleitet.
Einige der extremistischen jüdischen Siedler im Westjordanland nutzen die die gegenwärtige Situation für ihre Zwecke aus. Die Regierung unternimmt nichts, um sie zu stoppen; im Gegenteil, einige der wichtigsten Minister ermutigen und unterstützen sie. Ich hoffe, der Schaden dort ist nicht irreparabel. Denn dies ist nicht der Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung oder einer Lösung, die die Menschenrechte und die Würde der beiden Völker, die in diesem Land Völker, die in diesem Land leben.