Rabbinisches Wort für den Dezember

Täglich beginnt das Morgengebet Schacharit mit dem Segensspruch: „Gesegnet seist Du, Ewiger, König der Welt, der das Licht bildet und die Finsternis erschafft, der Frieden stiftet und alles erschafft“. Das geht auf einen Vers beim Propheten Jesaja 45,7 zurück, wo es jedoch ursprünglich heißt: „Der das Licht bildet und die Finsternis erschafft, der Frieden stiftet und Böses erschafft“. Vielleicht konnten diejenigen, die diesen Vers in die Gebetsfassung des Siddurs gegossen haben, den Gedanken schwer ertragen, dass Gott auch Böses erschuf? Da wandelten sie die Formulierung lieber in das allgemeinere, zugleich abmindernde „Alles“ um. Oder sie wollten, dass Menschen Verantwortung übernehmen für das von ihnen selbst in die Welt gebrachte Böse, damit sie sich nicht herausreden, es sei Gottes Wille? Vermutlich sind beide Überlegungen zutreffend: Morgens, beim Start in den Tag brauchen wir die Zuversicht, dass das Gute dominiert, und deshalb drängen wir den Gedanken an das Grauen etwas zurück.

Und zugleich lernen wir schon aus den Schöpfungserzählungen der Torah, dass Licht und Finsternis gegeben sind, um Unterscheidungen vornehmen zu können. Und spätestens seit die Menschen vom „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ gegessen haben, können sie sich nicht mehr herausreden, dass nicht sie selbst die verantwortlichen Akteure dessen sind, was sie in der Welt tun.

Der Lobpreis des Lichts im Morgengebet handelt von der Gesetzmäßigkeit der Natur: Es wird hell, denn morgens „geht die Sonne auf“, abends „geht sie unter“ (d.h. die Erde dreht sich und wir leben für mehrere Stunden auf der der Sonne zu- bzw. abgewandten Seite). Wir freuen uns über das Tageslicht, wenn der Morgen anbricht. Noch mehr muntert es unsere Seele auf,wenn wir die Sonnenstrahlen auch sehen. Aber wir haben keinen Einfluss darauf: Die Erde dreht sich, ob wir es wollen oder nicht.

Das Chanukkafest, das wir in diesem Monat begehen, spricht hingegen von einem anderen Licht. Nämlich von einem, das nur wir Menschen anzünden können, und zwar inmitten der Dunkelheit. Es gibt da kein gesetzmäßiges Hellwerden auf Grund kosmischer Vorgänge, wir selbst müssen dafür sorgen, dass es licht wird. Acht Tage lang zünden wir die kleinen Chanukkakerzen, am ersten Abend beginnend mit einem, um von Tag zu Tag das Licht zu vermehren: zwei Lichter, drei Lichter, bis am achten Tag der ganze Leuchter erstrahlt. Die Kerzen brennen nur für kurze Zeit, und nach acht Tagen ist das Fest vorbei, diese Lichter sind also nur ein Symbol, ein Hinweis auf unsere bleibende Aufgabe. Aber so begrenzt die Helligkeit von Chanukka auch sein mag – sie ermutigt uns, der Finsternis, die von den Bösen und dem Bösen ausgeht, Licht entgegenzusetzen. Diese Hoffnung und diese Kraft mögen über die acht Festtage hinaus anhalten.

Chag Urim Sameach – Ein frohes Lichterfest wünscht Ihnen/Euch

Rabbinerin Ulrike Offenberg