Eine Münze im Auge kann leicht die Schönheit der Sonne verdecken. In ähnlicher Weise kann eine aktuelle Herausforderung uns leicht dazu verleiten, die fortdauernden Errungenschaften der Vergangenheit aus den Augen zu verlieren. Es ist diese menschliche Eigenart, die uns die Feierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen Israels in diesem Jahr erschwert. Umso mehr müssen wir uns daran erinnern, dass die spät erfolgte Gründung des Staates Israels, sein ungehindertes Wachstum, seine Verteidigung wider alle Erwartung, sein erstaunlicher wirtschaftlicher Erfolg und die unerschütterliche Bewahrung der Demokratie die unübertroffenen Errungenschaften dieses Staates sind, der nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde. Israel ist wahrhaftig aus der Asche des Holocaust entstanden, der ein schwarzes Loch ist, von dem kein Licht ausstrahlt. Aber der menschliche Wille ist eine Naturgewalt, der durch keine Umstände lange unterdrückt werden kann. Die unzähligen Widrigkeiten des Exils haben nie den Willen des jüdischen Volkes gebrochen, in sein heiliges, verheißenes Land zurückzukehren. Trotz der Torheit unserer Vorfahren vor langer Zeit angesichts der römischen Herrschaft wird die heutige Generation jüdischer Kämpfer die Lehren und das Vermächtnis der jüdischen Geschichte nicht verraten. Israel ist keine Aggada (eine phantasievolle Erzählung), sondern eine inspirierende Wirklichkeit des höchsten Glaubens. In den bleibenden Worten des Propheten Jesaja: „im lo taaminu, ki lo teamenu – Wenn du nicht glaubst, wirst du nicht überleben.“
Ismar Schorsch