Ein Schabbaton in Hameln

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Der Schabbaton begann am Freitagnachmittag mit der gemeinsamen Lektüre des Wochenabschnitts, der am Schabbat morgen aus der Tora gelesen wurde. Der Wochenabschnitt Korach (4. Buch Mose/Bamidbar 16–18) erzählt von der Rebellion Korachs, eines Leviten, gegen Moses und Aaron. Korach, unterstützt von Datan, Abiram und 250 weiteren angesehenen Männern, stellt die Führungsrolle Moses’ und das Priesteramt Aarons infrage. Ihr Hauptargument: „Die ganze Gemeinde ist heilig, und G-tt ist in ihrer Mitte. Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde?“ (Num 16,3). Die Rebellion endet mit einer dramatischen Strafe: Die Erde öffnet sich und verschlingt Korach und seine engsten Verbündeten, während ein Feuer die weiteren Aufständischen verzehrt. Aarons Priesterschaft wird durch das Wunder des blühenden Stabes bestätigt.

Die rabbinische Literatur sieht in Korach  ein Negativbeispiel für Zwietracht und falschen Ehrgeiz. Raschi betont, dass Neid, Begehrlichkeit und Ruhmsucht die treibenden Motive Korachs waren – Eigenschaften, die laut Pirkej Avot (Sprüche der Väter 4:21) den Menschen „aus der Welt bringen“. Rabbiner Mosche Chaim Luzzatto hebt hervor, dass der Drang nach Ruhm gefährlicher sei als Geldgier, da er zu unaufhörlicher Unzufriedenheit führe.

Der Midrasch illustriert, dass Korach nicht nur die Autorität Moses’ angriff, sondern auch die Grundlagen der Halacha (jüdisches Gesetz) in Frage stellte. So konfrontierte er Moses mit scheinbar logischen Argumenten, etwa ob ein Raum voller Torarollen eine Mesusa braucht, und wollte damit zeigen, dass Moses’ Entscheidungen willkürlich seien. Die Rabbinen sehen darin einen Angriff auf die göttlich legitimierte Ordnung – und warnen davor, dass Streit, der nicht um der Wahrheit, sondern aus Eigennutz geführt wird, zerstörerisch wirkt.

Trotz der überwiegend negativen Bewertung gibt es im rabbinischen Diskurs auch Stimmen, die Korachs Anliegen differenzierter betrachten. Einige Rabbiner erkennen an, dass die Forderung nach Gleichheit und Teilhabe einen wahren Kern habe, warnen aber vor den zerstörerischen Folgen, wenn persönliche Motive wie Neid und Machtstreben dahinterstehen.

Eine zweite Lernstunde fand am Sonntagvormittag statt. Im Zentrum stand eines der Gottesknechtslieder aus dem Buch Jesaja (Jes 42,1–9; 49,1–9; 50,4–9; 52,13–53,12). Die Texte spielen in der christlichen Tradition eine zentrale Rolle. Sie wurden und werden zum Teil auch in der Gegenwart auf Jesus Christus bezogen. Dies wird in der jüdischen Auslegung abgelehnt und ist aus der Perspektive einer historisch-kritisch arbeitenden Auslegung nicht richtig. Historisch sind die Gottesknechtslieder im Kontext des babylonischen Exils zu sehen, einer Zeit der tiefen Krise und Entwurzelung des jüdischen Volkes.

In der rabbinischen Exegese wird der Gottesknecht als das Volk Israel verstanden. Diese Deutung stützt sich unter anderem auf Jes 49,3: „Du bist mein Knecht, bist Israel, durch den ich mich verherrliche.“ Die Rabbinen sehen im Schicksal des leidenden Gottesknechtes das Schicksal Israels im Exil. Die Leiden, die im Text beschrieben werden, werden als Ausdruck der kollektiven Prüfungen und der stellvertretenden Sühne des Volkes für die Sünden der Völker gedeutet.

Die Lernstunden wurden von Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg vorbereitet und geleitet. Die Gespräche und Diskussionen waren intensiv und wurden von allen als eine große Bereicherung erlebt.

Am Schabbat Nachmittag besuchte die Gruppe den Gedenkort Bückeberg besucht. Dieser Ort erinnert an die Reichserntedankfeste, die dort von 1933 bis 1937 als eine der größten Massenveranstaltungen des Nationalsozialismus stattfanden. Bis zu einer Million Menschen kamen in manchen Jahren, um Adolf Hitler und anderen NS-Größen zuzujubeln. Ziel dieser Feste war es, die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ zu inszenieren und die Bevölkerung propagandistisch auf den Krieg einzustimmen.

Heute befindet sich auf dem Gelände eine über das Areal verteilte Dauerausstellung. Der Ort selbst ist das wichtigste Exponat: Besucher*innen erleben die historischen Dimensionen der Anlage, deren ursprüngliche Gestalt – mit dem markanten Mittelweg, den Fundamenten der Tribünen und den noch erkennbaren Pflasterungen – weitgehend erhalten geblieben ist.

Das Ausstellungskonzept setzt auf historisch-topografische Informationen: Ein etwa 1,3 Kilometer langer Rundweg führt über das Gelände zu sechs Informationsinseln mit Tafeln, die die Geschichte und Funktion der Reichserntedankfeste erläutern. An der Stelle der ehemaligen Rednertribüne wurde eine Gehölzpflanzung vorgenommen, die den historischen Ort sichtbar macht; auf den Fundamenten der Ehrentribüne gibt es einen begehbaren Steg. Die Ausstellung legt besonderen Wert darauf, die Mechanismen der NS-Propaganda und ihre Inszenierung aufzuzeigen.

Besondere Höhepunkte waren der Kabbalat Schabbat Gottesdienst und der Schabbat-Gottesdienst. Für manche war es die erste Begegnung mit gelebter jüdischer Liturgie. Wichtig war auch das gemeinsame Essen, das sehr lecker war. Hier gab es Zeit für informelle Gespräche.

Die Teilnehmenden waren sich einige: es war eine besondere Erfahrung gemeinsam miteinander zu Lernen, diskutieren, am Gottesdienst teilzunehmen, miteinander zu Essen und sich über vielfältige Themen auszutauschen. Ein großer Dank geht an Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg und die jüdische Gemeinde Hameln für ihre Einladung. Der Vorsitzende Peter Wendt dankte für den Besuch und lud die Gruppe für das nächste Jahr ein: dies wurde mit großer Begeisterung aufgenommen.


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