
Klaus Wengst: Gott im Wort. Eine Theologie des Neuen Testaments: ein Widerhall der jüdischen Bibel.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2025.
Gott im Wort
In seinem jüngst erschienenen Buch Gott im Wort deutet Klaus Wengst die neutestamentlichen Texte als Ausdruck des fortgesetzten Gesprächs des Gottes Israels mit seinem Volk und mit denen, die Jesus als den von diesem Gott Aufgeweckten bezeugen. An diesem Abend wird er seine Einsichten zur Vorstellung des letzten Gerichts im Neuen Testament vorstellen.
Im ersten Kapitel beschreibt der Autor den Umschlag von Sprachlosigkeit in Deutung: Die Jünger Jesu standen angesichts des Kreuzestodes vor einem Zusammenbruch aller Hoffnung, fanden jedoch in den Schriften Israels Worte, mit denen sie ihr Erleben deuten konnten. Wengst rekonstruiert, wie Begriffe wie „Aufweckung der Toten“, „Vergebung der Sünden“ und „Reich Gottes“ aus der hebräischen Bibel in die Deutung des Christusgeschehens eingehen. Die Auferstehungsbotschaft „Gott hat Jesus von den Toten auferweckt“ ist danach nicht mythische Spekulation, sondern Ausdruck des Vertrauens, dass der gerechte Gott den Gekreuzigten rehabilitiert und die Welt ins Recht setzt.
Im zweiten Kapiteluntersucht Wengst die neutestamentlichen Deutungen von Jesu Tod als Versöhnung. Dabei distanziert er sich von einer soteriologischen Sicht, die den Tod Jesu als blutiges Opfer interpretiert. Vielmehr liest er die Texte als Ausdruck der Umkehrung von Unrechtserfahrungen: In der Auferstehung wird Gottes Treue bestätigt, die der menschlichen Gewalt widerspricht. So entsteht eine Theologie der Versöhnung, die nicht Opferlogik wiederholt, sondern das zerstörte Verhältnis zwischen Menschen und Gott heilt. Diese hermeneutische Haltung markiert eines der bekanntesten Anliegen Wengsts – die entschiedene Absage an eine Christusdeutung, die sich vom Judentum absetzt oder es überholt sieht.
Das dritte Kapitel entfaltet den zentralen biblischen Topos der Gerechtigkeit (Zedaka) – ein Motiv, das Wengst als Achse des Reiches-Gottes-Verständnisses in den Evangelien auffasst. Jesus verkündet, so Wengst, kein neues göttliches System, sondern die Erneuerung der schöpferischen Gerechtigkeit, die in der Tora verankert ist. Wengst liest das Reich-Gottes-Motiv dabei weder eschatologisch-entrückt noch innerlich-moralisch, sondern als sozialethische Realität: Es geht um das Handeln Gottes, der Unrecht aufhebt und Gerechtigkeit schafft. So stehen die Gleichnisse, Heilungsgeschichten und Streitgespräche Jesu im Kontext jüdischer Gerechtigkeitstheologie – als prophetische Fortführung der Tora, nicht als deren Aufhebung.
Im vierten Kapitel widmet sich der Autor der Frage nach dem bleibenden Unrecht in der Welt. Er nimmt dabei die Rede vom „letzten Gericht“ auf, die in der modernen Theologie oft verdrängt oder spiritualisiert wird. Für ihn ist das Gericht jedoch kein Instrument der Drohung, sondern Ausdruck der Hoffnung auf die Wiederherstellung des Rechts. Das Gericht ist der Endpunkt der göttlichen Parteinahme für die Opfer, nicht der Beginn neuer Verdammung. Wengst argumentiert: Nur wer an die letztliche Gerechtigkeit glaubt, kann die Wirklichkeit der Ungerechtigkeit ernst nehmen. So rehabilitiert er den Begriff des Gerichtes als tragfähige Kategorie theologischen Realismus.
ein Motiv, das Wengst als Achse des Reiches-Gottes-Verständnisses in den Evangelien auffasst. Jesus verkündet, so Wengst, kein neues göttliches System, sondern die Erneuerung der schöpferischen Gerechtigkeit, die in der Tora verankert ist. Wengst liest das Reich-Gottes-Motiv dabei weder eschatologisch-entrückt noch innerlich-moralisch, sondern als sozialethische Realität: Es geht um das Handeln Gottes, der Unrecht aufhebt und Gerechtigkeit schafft. So stehen.
Im fünften Kapitel deutet Wengst die Rede von der Auferstehung der Toten als existentielle und zugleich imaginativ-reale Wirklichkeit jenseits der Alternative von „real“ oder „irreal“. Er führt den Begriff des „Surrealen“ ein: Die Aussagen des Glaubens gehören einer Wirklichkeitsdimension an, die zwar nicht physikalisch greifbar, aber auch nicht bloß symbolisch ist. Damit plädiert er für eine Sprache des Glaubens, die das Geheimnis wahrt, ohne den Verstand zu suspendieren.
Den Abschluss bildet eine Reflexion über den Ort der Theologie insgesamt: „Angesichts dessen, dass wir nichts als Worte haben, fragt der Schluss danach, was bleibt“. Wengst begreift die Sprache als den eigentlichen Ort der Gottesbegegnung. Gottes Wirken geschieht im Wort, im Vollzug der Schrift, in der Auslegung, im Gespräch.
Gegen ein Christentum, das sich über Israel erhebt, betont Wengst die bleibende Geltung der jüdischen Bibel als Resonanzraum aller neutestamentlichen Rede. So ist „Gott im Wort“ zugleich Beitrag zur Theologie des Neuen Testaments und einer Theologie im Angesicht Israels. Im größeren Zusammenhang der gegenwärtigen Theologie markiert „Gott im Wort“ einen bedeutenden Schritt zur Rekonstruktion einer Theologie des Neuen Testaments, die neutestamentlichen Texte als „Erneuerung des Redens Israels von Gott unter veränderten geschichtlichen Bedingungen“.